* Hanauer Anzeiger zu Besuch im Reparatur-Café

Die Redaktion des Hanauer Anzeiger war am 18. Nov. 2023 zu Besuch im Reparatur-Café der Bürgerhilfe. Dazu erschien am 29. November nachfolgender Bericht, den wir mit freundlicher Genehmigung der Hanauer-Anzeiger-Redaktion hier wiedergeben dürfen:

Im Repaircafé in Bruchköbel erhalten defekte Geräte ein neues Leben

Von: Holger Weber-Stoppacher

Es ist kurz nach 14 Uhr am Samstag. Das Repaircafé in Bruchköbel hat gerade erst geöffnet und schon bildet sich am Eingang vor der Anmeldung eine Schlange. Doris Welsch-Wild nimmt die ersten Gäste in Empfang, reicht ihnen ein Formular, das es auszufüllen gilt. Die Besucher müssen kurz die Art des Problems beschreiben, mit dem sie gekommen sind und vor allem unterschreiben, dass sie sich im Klaren darüber sind, dass es für eine erfolgreiche Reparatur keine Gewähr gibt.

Bruchköbel – Die Leute haben Taschen oder auch Kartons dabei, große und kleine, in denen sie ihre „Sorgenkinder“ transportieren. Zumeist Elektrogeräte, die den Geist aufgegeben haben, oder einfach nicht mehr so funktionieren wie sie sollten. Die letzte Hoffnung vor dem Schrottplatz sind Walter Wild und sein Team im Repaircafé. Die Männer haben einen guten Ruf. Mehr als der Hälfte aller elektronischen und mechanischen „Patienten“ verhelfen sie zu einem zweiten Leben (siehe Kasten).

Wild führt die Regie oben im zweiten Stock des Bruchköbeler Jugendzentrums, in dem das Repaircafé regelmäßig stattfindet. Der Rentner und Elektroingenieur war auch beruflich als Projektverantwortlicher in einer leitenden Position. Er verteilt die ankommende Arbeit unter den ehrenamtlichen Tüftlern, die alle eines gemeinsam haben: ein Faible für Technik und zudem auch ein technisches Verständnis.

Erhard Pietschmann ist seit den Gründertagen vor drei Jahren dabei

Einer von ihnen ist Erhard Pietschmann, ein Mann der ersten Stunde, der seit Gründertagen vor drei Jahren dabei ist. Pietschmann ist eigentlich Entwicklungsingenieur von Beruf. Bei einer Hanauer Firma sorgt er für die Weiterentwicklung von Ultraschallsensoren, die zur Abstandsmessung eingesetzt werden. Er steht dort kurz vor dem Ruhestand und ärgert sich darüber, dass sein Job zunehmend bürokratisiert wird. Er sei fast nur noch mit Papierkram beschäftigt, berichtet er. Deshalb sind die Samstage im Repaircafé für den Bruchköbeler geradezu eine Erholung. Hier kann er zeigen, was er drauf hat. Und am liebsten macht er es im Team. „Ich bin ein Fan der Schwarmintelligenz“, sagt Pietschmann und berichtete von all den Kaffeemaschinen, die man wieder repariert hat. Ganz gleich welcher Marke. Manchmal sei es nur eine Sicherung, irgendwo versteckt im Gerät, die ausgetauscht werden müsse. Einmal hatten sie einen besonders schweren Fall. Ein Philipps-Röhrenradio mit einem supertollen Klang. Fünfmal haben er und seine Kollegen das Ding aufgeschraubt und fast schon aufgegeben. Bis sie dann den Fehler im Schaltplan gefunden haben. Es war ein Gemeinschaftserfolg. Das hebt die Stimmung im Team.

In der improvisierten Werkstatt zieht gerade eine ältere Dame ihren CD-Player aus der Tasche. „Das Fach öffnet sich nicht mehr von alleine“, sagt sie. Wild guckt sich den Schaden kurz an und legt das Gerät auf den Tisch, damit sich der Nächste, der frei ist, des Problems annehmen kann. Der Service wird nicht berechnet. Aber die Kunden sind gehalten, am Ausgang etwas im Spendenschwein zu hinterlassen. Damit wird dann auch Material gekauft.

Schöner Nebeneffekt: Hier kann man auch Anschluss finden

An diesem Samstag sind rund sechs Ehrenamtliche im Einsatz. Auf dem Tisch liegen Zangen, Schraubenzieher, Lötkolben. „Der Kollege ist eigentlich Innenarchitekt“, sagt Pietschmann und deutet auf Fahraji Behrouz, einen 46 Jahre alten Iraner. Behrouz ist auch Erfinder. Bei einer Fachmesse in Nürnberg hat er einen von ihm entwickelten automatischen Holzspalter präsentiert. Behrouz zeigt stolz seine vom Verband der Erfinder ausgestellte Urkunde, die er auf seinem Handy als Foto gespeichert hat. Das war 2012, da lebte er noch im Iran. Vor anderthalb Jahren musste der gläubige Christ aus seinem Heimatland fliehen. Er spricht bereits fließend Deutsch und kommt auch deshalb ins Repaircafé, weil er hier Anschluss gefunden hat. Soziale Kontakte zu knüpfen, Gleichgesinnte zu treffen ist ein wichtiges Ziel, das man mit der Gründung des Repaircafés vor nunmehr drei Jahren verfolgt habe, sagt Joachim Rechholz, der Vorsitzende der Bruchköbeler Bürgerhilfe, unter deren Dach das Repaircafé konzipiert wurde. Rechholz steht unten an der Kuchentheke. Denn zu einem Café gehören Kaffee und Kuchen nun einmal dazu. „Hier ist jeder willkommen, der Lust auf Gespräche hat oder dem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt“, meint Rechholz. (Von Holger Weber-Stoppacher)

Die „Kunden“ müssen sich erst anmelden, dann werden sie in die Werkstatt geschickt. © Reinhard Paul
Im Team ist man stärker: Wenn es kompliziert wird, dann gehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Repaircafés auch schon mal gemeinschaftlich an die Problemlösung. Nur nicht die Geduld verlieren – selten geben die technisch versierten Helfer auf. Hier schrauben Peter Gasseldorfer (von links), Erhard Pietschmann und Fahraij Behrouz zusammen. © Reinhard Paul
Bürgerhilfevorsitzender Joachim Rechholz: „Man kann auch einfach nur zum Quatschen kommen.“ © Reinhard Paul